Schritt für Schritt werden, der "Ich-bin"

Mensch-Sein verstehen - bewusst frei wachsen - Neues im Leben erschaffen

Ein Ausschnitt aus dem Entwicklungsweg von uns Menschen.

Denken, Ich-Bewusstsein, Freiheit und Liebe.



Jemand, der gar keine Fragen stellt, erwartet in gewissen Dingen auch keine Antwort. Unbefangenes Fragen ist die Voraussetzung, um sich auf den Weg zu machen, um Antworten zu bekommen.

Einmal angenommen, Du könntest einem Menschen, der vor ca. 8.000 bis 10.000 Jahren gelebt hat, heute diese Fragen stellen:

  • Wo kommt der Mensch her?
  • Was bedeutet es überhaupt, ein Mensch zu sein?
  • Welchen Zweck hat das „Abenteuer Menschheit“ auf der Erde?

Dieser Mensch würde Dich ratlos anschauen, denn er würde die Fragen gar nicht verstehen. Weil er nicht das Bewusstsein hat, aus dem diese Fragen gestellt sind. Die Menschen lebten vor ca. 8.000 bis 10.000 Jahren noch auf einer Stufe des Wahrnehmens, die man als dämmerhaftes und instinktives Hellsehen bezeichnen kann. Der Mensch der damaligen Zeit sah mit seinen „inneren Augen“ das Geistig-Seelisch hinter den Dingen der physischen Welt. Er hatte geistige Wahrnehmungsorgane und sah hinter allen Pflanzen, Tieren und Mineralien die geistigen, lebendigen Wesenheiten wirken. Sein Wahrnehmen umfasste ganz natürlich beide Welten: die physische und die geistige Welt (die „tätigen Kräfte“ hinter der Materie).

Er sah die geistige Welt ebenso wie die physisch-sinnliche und fühlte sich vollkommen eins mit der Welt um sich und dem ganzen Universum. Er ging darinnen auf und erlebte sich nicht abgetrennt von der Welt, der Natur. Diese geistige Welt, die uns heute unbekannt, geheimnisvoll und unklar erscheint, wurde seinerzeit in Bildern gesehen. Die inneren Wahrnehmungsorgane, die das ermöglichten, sind auch im heutigen Menschen vorhanden, aber sie ruhen, sind sozusagen „inaktiv.“

Der Evolutionsprozess hat uns mit voller Absicht Schritt für Schritt aus dem alten Hellsehen „herausgeworfen“. Wir sollten für eine gewisse Zeit die geistige Welt aus dem Bewusstsein verlieren und uns ganz auf die physische Welt konzentrieren.

Nur so ist es uns Menschen möglich, das Denken und das Ich-Bewusstsein zu entwickeln. Denn der Mensch von vor ca. 8.000 bis 10.000 Jahren erlebte sich selbst nicht als Individuum und auch das logische Verstandesdenken war nicht vorhanden. Denn dafür bestand gar kein Bedarf in diesem alten Zustand des Wahrnehmens.

Das Denken und das Ich-Bewusstsein zu entwickeln, das wurde fortan zu unserer Entwicklungsaufgabe. Und mit Aristoteles (384 bis 322 vor Christus) beginnt dann die Entwicklung einer klaren Logik und das lebendige Erleben der geistigen Welt in Bildern endet.

Jedoch gab es immer die Religionen und (mystischen) Erkenntniswege, die seitdem als Brücke dienten, um den rechten, jeweils der Zeit entsprechenden Weg in die geistige Welt zu finden. Der altindische Yoga-Weg kulminierte im Buddhismus, dieser sollte das Kommen des Christus vorbereiten, ebenso wie die jüdische Mystik. Diese mündeten in das Christentum.  All diese Erkenntniswege fließen ineinander, und sie entsprechen jeweils der Qualität und den Anforderungen der Zeit, dem Entwicklungsstand des Menschen.

Der Entwicklungsprozess sah also vor, dass der Mensch weg ging vom Eins-Sein mit der geistigen Welt, hin zur Entwicklung des Denkens und Ich-Bewusstseins.

Und warum? Gibt es eine Absicht dahinter?

Ja, es gibt eine Schöpfungsabsicht und diese ist es, mit dem Menschen zum ersten Mal überhaupt ein vollkommen freies und schöpferisches Wesen im Universum zu schaffen. Dieses Potenzial ist im Menschen angelegt, und bei rechter Entwicklung kann er dieses Potenzial verwirklichen.

Und so hängen diese Entwicklungsschritte dann zusammen:

Denken – Ich-Bewusstsein – Freiheit – Liebe


Zum jetzigen Zeitpunkt der Entwicklung ist der Mensch teilweise frei. Oder anders: die Frage, ob der Mensch frei sei, kann nicht mit „Ja oder Nein“ beantwortet werden. Er ist auf dem Weg zur Freiheit.

Auf dem alten Weg des instinktiven, dämmerhaften Hellsehens von vor ca. 8.000 bis 10.000 Jahren werden wir nicht wieder in die geistige Welt zurückkehren. Denn das wäre ein Rückschritt, der die Errungenschaft des Denkens ignoriert. So ist auch sehr bedenklich, was „asiatische Weisheitswege“ heute tun, die ja maßgeblich mit ihren Übungen die Gedanken unterdrücken und das Denken ausschalten wollen. Wir brauchen das Denken, um das Ich-Bewusstsein aufrechtzuerhalten. Um uns daraus zur Freiheit zu entwickeln und schließlich zur Liebe. Diese Entwicklungsschritte hängen zwingend zusammen und es kann nicht das zeitgemäße Ziel sein, in einem unbewussten, tranceartigen Zustand „irgendwie“ und „irgendwohin“ in Abhängigkeit von einem Meister oder Guru zu wandeln. Die Gefahr ist sehr groß, dass man mit diesen Methoden in einer vorgetäuschten „scheinheiligen“ Welt landet und keine Chance hat, dies selbst zu erkennen.

Ähnlich kritisch ist heute der religiöse Glaube zu betrachten. Wenn ich etwas glaube, dann heißt das, dass ich es nicht wissen kann. So kann ich es also glauben oder auch nicht. Aber ich habe keine Sicherheit darüber. Die Zeit des „echten“ Glaubens wurde im vierten Kulturzeitraum (747 v. Chr. - 1413 n. Chr.) maßgeblich durch den Gemütsanteil der Verstandes- oder Gemütsseele getragen. Glauben war da echtes Wahrheitsempfinden. Mit dem Fortschreiten der Evolution und dem Beginn des Kulturzeitraumes der Bewusstseinsseele müssen wir jetzt einen Schritt weiter machen, über den Glauben hinaus zum bewussten Erkennen.

Die geistige Welt hinter aller Materialität, die Tatsachen über den Menschen klar zu erkennen und zu erleben, das ist jetzt der zeitgemäße Schritt in der Entwicklung. Und hierzu kam der große Impuls im 20. Jahrhundert mit der Anthroposophie, vermittelt durch Rudolf Steiner.

Die Anthroposophie entspricht der aktuellen Zeitqualität und dem Entwicklungsstand von uns Menschen.
Denn die Anthroposophie holt den Menschen genau dort ab, wo er heute steht, im logischen und naturwissenschaftlich geprägten Verstandesdenken. Von dort aus muss der Weg weitergehen zum Erleben der geistigen Welt, um diese in einer ganz neuen zeitgemäßen Qualität zu erkennen. Eben nicht instinktiv, sondern bewusst, unter Aufrechterhaltung des Denkens und des Ich-Bewusstseins.

Anthroposophie ist keine Theorie oder Weltanschauung, sondern die zeitgemäße geistige Erkenntnisart. Es ist ein Innenweg, der durch die Seelenbetätigung gegangen wird. Die Kräfte und Fähigkeiten kann jeder Mensch in seiner Seele entwickeln, der Geduld und Ausdauer dafür aufbringt.

Man wird nicht zum Träumer oder weltfremden Menschen, sondern man erkraftet als Mensch auf diesem Weg aus denjenigen Lebensquellen, aus denen wir unserem geistig-seelischen Anteil nach stammen.

In meinem nächsten Blog über das lebendige Lesen werde ich darüber schreiben, wie die ersten Schritte der Seelenbetätigung auf dem Weg zum geistigen Erkennen gegangen werden können.